Die neue Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745

Mai 18, 2021 | Die Schutzprofis, News

Medizinprodukteverordnung – eine kurze Übersicht

Am 5. Mai 2017 trat die neue Medizinprodukteverordnung in Kraft (nunmehr mit einer Übergangsphase bis zum 25.05.2021). Ab 26.05.2021 gilt dann die neue Medizinprodukteverordnung EU 2017/745 (englisch: MDR=Medical Device Regulation). Sie gilt für alle Medizinprodukte der verschiedenen Risikoklassen. Die Verordnung betrifft ungefähr 500.000 Medizinprodukte in Europa. Dieser enorme Umfang und die Vielfältigkeit bedingen ein umfassendes Regelwerk und auch Übergangsfristen. Die Bedeutung für alle Bereiche (auch die Zertifizierung) ergibt sich schon allein durch ihren Umfang von 175 Seiten im Amtsblatt der EU. Das stellt begreiflicherweise enorme Anforderungen an die Kapazität der Zertifizierungsstellen („notified bodies“). Anwender können daher erwarten, dass auf Grund der enormen Anforderungen etliche Hersteller Portfolio-Bereinigungen durchführen werden.

Warum kommt eine neue Medizinprodukteverordnung?

Mit dieser Verordnung möchte die EU die Qualität von Medizinprodukten verbessern. Ziele sind eine Verbesserung der Sicherheit (Patientensicherheit), eine Verbesserung der Transparenz und Rückverfolgbarkeit und eine verbesserte Identifikation der Medizinprodukte über ihre gesamte Einsatzdauer oder Lebensdauer. Aus diesem Grunde wurde die „alte“ Verordnung 93/42 EEC von 1993 durch die neue Verordnung abgelöst.

Der Geltungsbereich der neuen Medizinprodukteverordnung

Die neue europäische Medizinprodukteverordnung (kurz: MDR) regelt das Inverkehrbringen von Medizinprodukten europaweit und legt die Anforderungen an die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten fest. Die Verordnung gilt für sämtliche Hersteller von Medizinprodukten, die ihre Produkte in der EU auf den Markt bringen möchten. Die MDR gilt ab Einführung als europäisches, übernationales Recht (nationale Ergänzungen der Anforderungen in den einzelnen Ländern der EU sind möglich). Damit gelten gleiche Produktstandards in allen europäischen Ländern. Auf diese Weise sollen Sicherheit, Rückverfolgbarkeit sowie Transparenz in allen EU-Ländern verbessert werden. Das System ermöglicht es, eine Produktidentifizierungsnummer UDI (Unique Device Information) festzulegen, ähnlich wie das bei Arzneimitteln geschieht (durch die PPN: Pharmacy Product Number). Hierfür ist das Internationale Forum der Aufsichtsbehörden für Medizinprodukte (IMDRF International Medical Device Regulators Forum) zuständig. Die EU ist Mitglied der IMDRF. Die neue MDR führt den Begriff des „Wirtschaftsakteurs“ ein. Dies ist nach MDR ein Hersteller, ein bevollmächtigter Vertreter, ein Importeur, ein Händler und Inverkehrbringer von Systemen und Behandlungseinheiten.

Welche Rolle spielen die Wirtschaftsakteure?

Ein Hersteller stellt ein Produkt unter eigener Marke oder eigenem Namen her, ein Importeur ist eine in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland auf dem Markt der EU in Verkehr bringt. Der nächste Wirtschaftsakteur ist der Händler. Mit allen Wirtschaftsakteuren sind definierte Verantwortlichkeiten und Pflichten verbunden, wobei die Nachverfolgbarkeit eine wesentliche Rolle spielt. Bevor das Produkt in den Handel kommt, prüft der Händler, ob das Produkt die CE-Kennzeichnung trägt und ob eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt wurde, ob das Produkt gemäß der MDR in der anwendbaren Landessprache gekennzeichnet ist, weiterhin, ob der Importeur seinen Namen und seine Kontaktanschrift auf dem Produkt oder einem beiliegenden Dokument angebracht hat und ob der Hersteller für das Produkt eine UDI vergeben hat (sofern anwendbar). Besteht der Verdacht, dass ein Produkt nicht der Verordnung entspricht, darf der Händler das Produkt nicht auf dem Markt bereitstellen und unterrichtet die anderen Wirtschaftsakteure. Bei ernsthafter Gefahr oder Verdacht auf Fälschung muss auch die lokale Behörde informiert werden. Der Händler kooperiert mit den Behörden. Bei Erfordernis muss sich ein Anwender an den Händler wenden oder die MDR- oder UDI-Datenbanken konsultieren.

Welche wesentlichen Veränderungen ergeben sich durch die MDR?

Die neue EU-Verordnung zu Medizinprodukten (Medical Device Regulation, MDR) wird die bisherigen Medizinprodukte-Richtlinien ersetzen, und zwar die beiden Richtlinien:

  • 93/42/EWG über Medizinprodukte (Medical Device Directive, MDD) und
  • 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte (Active Implantable Medical Devices, AIMD)

Alle zertifizierten Medizinprodukte und aktiven implantierbaren Medizinprodukte müssen ausnahmslos unter Einhaltung der neuen Vorschriften erneut zertifiziert werden. Zur Erhöhung der Sicherheit werden die UDI und EUDAMED Datenbanken (sobald voll funktionsfähig) eingesetzt; diese sorgen für größere Transparenz für Logistik und Marktüberwachung sowie Nachmarktüberwachung (PMS = Post Market Surveillance); verkürzte Meldefristen für Vorkommnisse werden in der MDR angewendet. Der Hersteller nimmt zunächst eine Einteilung seiner Produkte in unterschiedliche Risikoklassen vor.

Nach dieser Einteilung richtet es sich, welches Konformitätsbewertungsverfahren zur Anwendung kommt. Hierbei unterscheidet man zwischen Medizinprodukten geringen Risikos (Klasse I) bis zu Produkten mit hohem Risiko (Klasse III). Derzeit werden Medizinprodukte zu Schutzzwecken immer noch stark nachgefragt (Stichwort Corona), insbesondere Mund-Nasen-Schutz, Untersuchungshandschuhe und medizinische Schutzkleidung. Diese fallen überwiegend in die Risikoklasse I.

Die europäische Norm EN 455 dient wie bisher als Leitfaden für die Prüfung medizinischer Handschuhe zum einmaligen Gebrauch auf z. B. Qualität, physikalische Eigenschaften, Handschuhmaße, Reißfestigkeit, Beständigkeit gegen biologische Gefahren und Haltbarkeit. Chirurgische Operationshandschuhe fallen in die Klasse IIa und müssen von einem unabhängigen Zertifizierungsinstitut zertifiziert werden.

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